Stickoxid-Belastung vernebelt offenbar die Sinne

von BOB im Rat

Wer eine Umweltspur auf der Mülheimer Straße ins Gespräch bringt, kennt sich offensichtlich mit der Verkehrssituation in Oberhausen nicht aus. Bereits heute sind lange Staus auf der vierspurig ausgebauten Mülheimer Straße an der Tagesordnung. Eine zusätzliche Spursperrung dieser zentralen Nord-Süd-Verkehrsachse und Nutzung als Umweltspur würde zu noch massiveren Rückstaus zwischen dem Anschluss A 516 und der Mülheimer Stadtgrenze führen.

Auf der Mülheimer Straße wir seit dem 01. Juli 2005 die Stickstoffdioxyd-Belastung gemessen. Seitdem kommt es regelmäßig zu Grenzwertüberschreitungen. Die Verwaltung beschäftigt sich also bereits seit fast 15 Jahren mit einer Überschreitung der Grenzwerte, ohne dass eine Trendwende in Sicht ist und in Kürze gar über ein Fahrverbot verhandelt werden soll.

Warum hat man den ÖPNV nicht längst zu einem soliden, bequemen, bezahlbaren, pünktlichen, dichten Beförderungsangebot mit modernen digitalgesteuerten Haltestellen und Bahnhöfen ausgebaut?

Warum hat man die Fahrradwege nicht längst zu einem lückenlosen, zusammenhängenden, sicheren Netz aus Fahrradrouten für den Alltags- und Freizeitverkehr ausgebaut, welches Lust aufs Radfahren macht?

Warum hat man die Gehwege nicht längst ausreichend breit, mit sicheren Querungshilfen, ausreichender Beleuchtung, ohne Barrieren, also auch für Menschen mit Seh- oder Mobilitätseinschränkungen ausgebaut?

Bis heute fehlt ein vernetzter Mobilitätsplan über das gesamte Stadtgebiet, der eine intelligente Verkehrsplanung aller Mobilitätsarten mit der Stadtplanung in Einklang bringt. Auswirkung: z. B. regelmäßige Staus rund um das „Centro“.

Selbst wenn ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stünden, fehlt ein vernetztes Konzept zur Verbesserung der kommunalen Mobilität in Oberhausen. 

Zur schnellen Einhaltung der Grenzwerte werden am Hotspot „Mülheimer Straße“ vier besonders restriktive Maßnahmen vorgeschlagen:

  • „Ausweitung und konsequente Umsetzung eines LKW-Fahrverbots“
  • „Einführung von Tempo 30“
  • „Reduzierung der Fahrstreifen“ und als letzte restriktivste Maßnahme ein
  • „Fahrverbot für Diesel-PKW“

Eine Ausweitung und konsequente Umsetzung eines LKW-Fahrverbots wird für nahezu alle Gewerbetreibenden auf der Mülheimer Straße, die auf einen An- und Auslieferverkehr angewiesen sind, die Existenzgrundlage nehmen.

Bereits 2012 wurde in der Zeitschrift „Immissionsschutz“ eine Studie der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg veröffentlicht. Fazit: Es gebe einen „eindeutigen Trend zu steigenden Emissionen bei geringeren Geschwindigkeiten.“

Bei Tempo 30 sei der Schadstoffausstoß auf ebenen Strecken höher als bei Tempo 50. Berücksichtigt wurden nur die Emissionen während der Fahrt, nicht während Stopps an Ampeln oder im Stau, da diese das Ergebnis verfälschen würden. Insgesamt lautet die Schlussfolgerung der Untersuchung: Eine Verbesserung der Luftqualität auf hoch belasteten Hauptverkehrsstraßen sei „durch eine Reduktion der erlaubten Höchstgeschwindigkeit nicht zu erwarten“.

Wirkungsvoller sei eine Verstetigung des Verkehrsablaufs, also eine Verringerung von Beschleunigungs- und Bremsvorgängen, die den Schadstoffausstoß besonders stark steigen lassen.

Hier hätte lange eine digitalisierte, umweltsensitive Verkehrssteuerung mit Pförtnerung und P+R-Angebote für eine „grüne Welle“ auf der Mülheimer Straße sorgen müssen, die nicht nur den Verkehrsfluss verbessert, sondern durch entsprechende Lenkung auch das Verkehrsaufkommen reguliert und verringert sowie die Ausfahrt der Feuer- und Rettungswache mit berücksichtigt.

Am 27. August 2018 hat die Stadt Essen den „Masterplan Verkehr“ vorgestellt, der vom BÜRO STADTVERKEHR Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, 40721 Hilden erarbeitet wurde. Zitat Herr Best:“ Durch den Masterplan wurde festgestellt, dass Diesel-Fahrverbote auf Teilstrecken zu deutlichen Mehrbelastungen im umliegenden Straßennetz führen und daher nicht sinnvoll sind.“

Diese Feststellung passt zu den Erfahrungen in Hamburg-Altona. RTL-Nord berichtete am 20. November 2018, dass die seit einem halben Jahr eingeführten Diesel-Fahrverbote die Luft nicht verbessert haben. Die Luft in den Diesel-Verbotszonen ist sogar schlechter als vor dem Diesel-Fahrverbot geworden.

Umweltspuren sowie Fahrspurenreduzierungen und Sperrungen führen zu deutlichen Mehrbelastungen im umliegenden Straßennetz. Zudem führen solche Maßnahmen dazu, dass durch mehr Betriebsstunden und Kfz-km-Aufwand das NO2-Aufkommen auf gesamtstädtischer Ebene zunehmen wird. 

Warum sollen nur Maßnahmen gegen die verkehrsbedingten Stickstoffdioxidemissionen ergriffen werden, wo doch der Verkehr nur 27% der Emissionen verursacht und die restlichen 73% der Emissionen aus Hintergrundbelastungen resultieren. Durch die vorgeschlagenen Maßnahmen können also nur ¼ der Emissionsbelastungen beeinflusst werden.

Warum hat man nicht schon lange die Hintergrundbelastungen aus GMVA, aus weiteren 17 genehmigungsfähigen emittierenden Anlagen im Umfeld der Mülheimer Straße sowie aus alten Heizungsanlagen und Kohleöfen im Rahmen von Fördermaßnahmen reduziert. Bottrop hat es durch das Projekt „Innovation City“ lange vorgemacht.

 

Aus Sicht von „BOB im Rat der Stadt“ ist die Messstation nicht nach den europarechtlichen Regeln positioniert und liefert falsche, überhöhte Ergebnisse.

Die Messstation in Höhe des Hauses Mülheimer Straße 117 steht direkt an der Straße auf einem Parkstreifen. Gemäß Beschriftung auf beiden Seiten der Messstation soll „Bitte 2m Abstand ein(ge)halten“ werden.

Da dieser Abstand weder markiert noch mit einer Barke gesichert ist, wird regelmäßig bis unmittelbar vor und hinter der Messstation geparkt. Beim Anlassen der Fahrzeuge steigen die Abgase unmittelbar an dem Container in Richtung Messstelle hoch.

Die Messstation ist also gleich von drei Emissionsquellen in nächster Nähe umgeben: einmal die Emissionen durch den Durchfahrtsverkehr und den Emissionen durch den An- und Abfahrtsverkehr auf dem Parkstreifen.

Hinter der Messstation schließt eine durchgehende Häuserzeile mit Vordächer über den Schaufensteranlagen an. Die Vordächer wirken wie ein Tunnel, reflektieren die Emissionen, behindern eine Verdünnung der Konzentration, so dass die gemessenen Werte höher liegen und nicht repräsentativ für die Gesamtsituation sind. 

Auf der Mülheimer Straße fahren zwei Buslinien des ÖPNV. Die Buslinie 966 in Richtung Hbf. verkehrt alle 60 Minuten und wird mit einem Elektrobus    betrieben, während die Linie 957 in Richtung Hbf., die alle 20 Minuten fährt, weiterhin von der STOAG mit „Diesel-Stinkern“ betrieben wird.

Die Position der Messstelle legt die Vermutung nahe, dass hohe Messwerte von Teilen der Verwaltung oder Politik aus ideologischen Gründen oder aus Gründen der Akquirierung von Fördergeldern schlicht erwünscht sind.

Es dürfte außer Frage stehen, dass an der Mülheimer Straße Handlungsbedarf besteht. Aber das eigentliche Problem, nämlich die mangelnde Abgasreinigung vieler Diesel-Autos, darf nicht zu Restriktionen bis zu einfallslosen Fahrverboten führen. Hier sind intelligentere Lösungen gefragt.

Zu den von Eurokraten bestimmten NO2-Grenzwerten lassen sich keine wissenschaftlich fundierten Aussagen auffinden. Für die EU-Länder wurde nach Gutdünken ein NO2-Grenzwert von 40 Mikrogramm/m³ bestimmt, am Arbeitsplatz sind beachtliche 950 Mikrogramm/m³ zulässig. Die Schweiz von nebenan legt für sich 80 Mikrogramm/m³ fest und die USA gar 100 Mikrogramm/m3.

Prof. Hans Drexler, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, warnt vor Panikmache: "Auch bei 100 Mikrogramm NO2 sehen wir noch keinen Effekt, der krank machen kann", sagte der Erlangener Professor gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die aktuellen Grenzwerte seien mit einem Sicherheitsfaktor ausgestattet, der von der Politik und Gesellschaft so gewollt sei. Die aktuell festgesetzten Grenzwerte seien eine rein gesellschaftliche Entscheidung.

Nach Meinung der Experten sind aber nicht die Dieselabgase in Innenräume die Hauptquellen für Stickoxide, sondern Zigarettenrauch, Gas- und Kohleöfen, Kaminfeuer sowie qualmende Kerzen. Ein Adventskranz mit vier brennenden Kerzen erzeugt etwa 200 Mikrogramm/m3.

Die angestrebten Maßnahmen und die Mobilitätswende durch einen Masterplan „von oben zu verordnen“ ohne vorher die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, muss zu Unmut und Widerstand in der Bürgerschaft führen und wird im wahrsten Sinne des Wortes eine „Luftnummer“.

Ideen wie Carsharing und Lastenrad-Verleih sowie Forderungen nach sicheren Radwegen, besserem Nahverkehr und Ladesäulen für Elektrofahrzeuge nutzen wenig, wenn die Bürger nicht bereit sind, aufs herkömmliche Auto zu verzichten.

Die Mobilitätswende „beginnt im Kopf“ und wird nur zu erreichen sein, wenn alle Akteure vor Ort, sei es aus der Verwaltung und den städtischen Unternehmen, aus der Wirtschaft aber insbesondere auch die Bürgerinnen und Bürger aktiv daran mitwirken und diesen Prozess des Wandels letztendlich mitgestalten und umsetzen. 

Aus unserer Sicht sollten zunächst einmal alle Maßnahmen ausgeschöpft werden, die auf eine freiwillige Mobilitätswende setzen und eine neue saubere und bedürfnisgerechte Mobilität ohne Autoabhängigkeit überhaupt ermöglichen.

Das „Bündnis Oberhausener Bürger“ unterstützt selbstverständlich alle sinnvollen Maßnahmen, die die Luft in Oberhausen sauberer machen und die zu einem Umdenken im Mobilitätsverhalten führen. Die Betonung liegt allerdings auf „sinnvolle Maßnahmen“.

Sie müssen

  • einerseits einen nachvollziehbaren und nachhaltigen Beitrag für eine sauberere und gesündere Atemluft leisten und
  • dürfen andererseits den notwendigen Anlieferverkehr für Handel, Handwerk und Dienstleistungen nicht behindern und
  • den Individualverkehr der Bürgerinnen und Bürger nicht einschränken oder gar ausschließen.

Die von der SPD für die Mülheimer Straße vorgeschlagenen Maßnahmen sind kurzsichtig, unverhältnismäßig und zeugen vom blinden Aktionismus.

Erst einmal müssen alle Maßnahmen ausgeschöpft werden, die einen geringeren Eingriff in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger bedeuten.

Darüber hinaus sollten zumindest die Anlieger der Mülheimer Straße im Rahmen einer Bürgerbeteiligung in angemessener Weise (nicht nur durch eine Online-Befragung) an der Entscheidung mitwirken können.

Nicht der Oberbürgermeister, sondern die SPD war in den vergangenen Jahrzehnten beim Thema „Mobilität“ auf der Kriechspur unterwegs. Spätestens mit der Eröffnung des Centro hätte die regierende SPD mit ihrer Beisitzerin im SPD-Ortsverein Alsfeld-Holten und gleichzeitigen Bereichsleiterin für Verkehrsplanung und Mobilität, Frau Sabine Janclas, für intelligente Verkehrslösungen sorgen können bzw. sogar müssen.  

Ähnlich wie bei der Diskussion um die Verlagerung des „Rotlichtviertels“ hat die SPD jahrzehntelang geschlafen und bringt sich pünktlich zum Wahlkampf mit populistischen Ideen ins Gespräch, ohne konkrete Lösungsansätze für die Bürger*innen aufzuzeigen.

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