Denkmalpflege darf kein Willkür-Akt sein

Prof. Dr. habil Roland Günter, ist Bau- und Kunsthistoriker mit umfangreicher Denkmalpflege-Tätigkeit u. a. beim Landeskonservator Rheinland sowie umfangreicher Publizistischer Tätigkeit für den Denkmalschutz. In seiner Stellungnahme kritisiert der Experte das oberflächliche Handeln der städtischen Denkmalbehörde im Umgang mit dem Mawick Mosaik.

Das Gebäude ist ein Baudenkmal.

Zur Feststellung dessen sind nach Gesetz die Fachbehörden eingesetzt.

Diese haben dazu die Verpflichtung. Sie sind nicht frei, nach Daumen oder nach außerfachlichen Gründen, zu Opportunität gehört, zu entscheiden, sondern müssen es nach professionellen Maßstäben tun. Ebenso wie in vielen anderen Berufen und Tätigkeiten.

Wenn die zutreffend ist, gibt es keine Möglichkeit, einem Gebäude, das ein Baudenkmal ist, auch wenn es leider und dies grob fehlerhaft übersehen wurde, die Feststellung der Tatsache zu versagen.

Um durch Willkür Schaden abzuwenden und notwendige Zeit zum Klären zu gewinnen, muß, wenn etwas als dringend vorgestellt wird, zunächst der „vorläufige Denkmalschutz“ ausgesprochen werden.

Dafür ist es im Hinblick auf die Wand mit samt dem Mosaik nicht zu spät. Die Wand ist derzeit noch erhalten.

Es muß jedoch sofort verfügt werden, daß keine Arbeiten an der Fassade vorgenommen werden, ausgenommen zur Sicherung des Bestandes wie z. B. durch Abstützen.

Es liegen alle Gründe vor, hier festzustellen, daß das Gebäude ein Baudenkmal ist.

Ob das Gebäude noch dem ursprünglichen Zweck dient oder nicht, ist irrelevant. Die Nutzung kann sich verändern, jedoch ist der materielle Bestand, auf den das Denkmalgesetz zielt, ein Denkmal-Tatbestand und muß demzufolge nach Denkmalrecht behandelt werden. Eine Selbstverständlichkeit, die mit keiner Sophistik aufhebbar ist.


Für die Gründe ist ein fachlicher Vortrag unumgänglich. Ebenso für eventuelle Versagungsgründe.

Ebenso ist ein fachliches Verfahren notwendig.

Bislang hat die Untere Denkmalbehörde weder eine fachliche Begründung vorgetragen noch dies in einem überprüfbaren Verfahren getan.

Sie hat auch die Einwendungen des Besitzers und anderer Bereiche der Kommunalverwaltung nicht mit den professionellen Kriterien der Denkmalpflege überprüft, sondern sich auf pauschale Behauptungen eingelassen.

Behauptungen sind Behauptungen. Begründungen sind etwas anderes.

Die Denkmalpflege ist ein Instrument, das dem Gemeinsinn dienen muß.

Daher darf Denkmalpflege kein Willkür-Akt sein, sondern muß mit professionellen Kriterien und professionellen Verfahren fachlich entscheiden. Beide sind vom Gesetz gefordert und werden durch die daraus entwickelte Praxis ergänzt.

Damit darf man nicht willkürlich umgehen, sondern eine Behörde ist daran gebunden.

Die Untere Denkmalschutzbehörde hat bislang nicht im Rahmen des Gesetzes gehandelt, weder im Hinblick auf die Bewertungs-Kriterien noch im Hinblick auf das Verfahren.

In beidem sind erhebliche Fehler festzustellen, die fachlich und damit rechtlich nicht hingenommen werden können.

Wir können feststellen, daß bislang kein rechtliches Verfahren stattgefunden hat. Als Konsequenz müssen alle bisherigen Entscheidungen für unzulässig erklärt werden. Und es muß überhaupt erst ein Verfahren stattfinden.

Das Verwaltungsgericht wird daher gebeten, die angemessenen rechtlichen und professionellen Schritte zu verfügen.

Adressat ist die Stadt Oberhausen. Denn Denkmalschutz ist eine Gesetzeslage, die die Dimension des Gemeinwesen sichern muß. Demgegenüber sind die Belange des Eigentümers und eventuelle Opportunitäts-Gründe nachrangig.


Es geht um die ganze Platz-Wand.

Diese ist hochrangig architektonisch gestaltet. Zugrunde lag ein Konzept der Moderne, wie es die qualitativ besten Architekten der damaligen Zeit entwickelt hatten. Die Wand wurde durch die Transparenz des Erdgeschosses, hergestellt durch entsprechende Stützenstellung und Glas, in ihrer Erscheinung schwebend gestaltet. Das Mosaik wäre ohne diesen Zusammenhang verstümmelt. Es ist substantiell unzulässig, den Blick auf das Mosaik so einzuschränken.

Das künstlerische „Prinzip der schwebenden Wand“ ist in mehreren Variationen seinerzeit häufig verwandt worden - von Le Corbusier, Gropius (Bauhaus u. a.), Neutra und anderen.

Tatsache ist, daß die Gestaltung das große Mosaik-Bild schweben läßt.

Diese Gestaltung ist künstlerisch vorzüglich gemacht. Es hatte eine Qualität auf der Höhe seiner Zeit. Sie ist auch heute eindrucksvoll.

Es gibt keinen Grund, ihr den Denkmal-Charakter zu versagen.

 

Hinzu kommen wichtige weitere Gründe.

Die Wand ist städtebaulich angelegt. Sie ist sehr wirksam für den Platz.

Und sie ist auch wirksam für die Straße, die von Nordwesten auf den Platz hinführt.

Das Mosaik macht die seinerzeitige Bedeutung des Platzes sichtbar. Die Sparkasse war das städtische und darin das gemeinwirtschaftliche Zentrum von Sterkrade.

Dies spielt sich am zweitwichtigsten Platz der Stadt ab.

Es ist auch einzigartig. Ich kenne kein weiteres Werk, das das Thema Geld in bau-künstlerischer und bild-künstlerischer Weise überhaupt behandelt hat. Und dies hochrangig.

 

Das Denkmal ist besonders charakteristisch für seine Zeit: Aufbruch nach dem Krieg, Neuanfang nach erheblichen Zerstörungen. Man spricht vom Wirtschafts-Wunder. Ihm zugrunde lagen Einstellungen und Fähigkeitenn, die in der gesamten Bevölkerung eine Vorkriegs-Tradition und weite Verbreitung hatten: Kluge Organisation, Disziplin, Innovations-Bereitschaft. Dazu gehörte auch der Mut, eine Gestaltung der Moderne zu wählen und sie in einem erstaunlichen Umfang zu präsentieren.

Dazu gehört, mit ähnlichen Gestaltungsmitteln, auch ein weiterer Teil der Platz-Gestaltung: die große Loggia des vorspringenden platzbildenden Gebäudes an der Ostseite des Platzes.


Der Landeskonservator hat sich dankenswerter Weise geäußert und den Denkmal-Charakter des Gebäudes für seine Behörde zunächst einmal andeutend festgestellt.

Daß damit der gesetzlichen Benehmens-Herstellung Genüge getan ist, darf bezweifelt werden.

Nun liegt zwar die Entscheidung bei der Unteren Denkmalbehörde, aber diese hat die Pflicht, sich mit den Argumenten der Benehmensbehörde erkennbar, nachprüfbar und im Verfahren auseinander zusetzen. Dies ist noch keineswegs geschehen.

Wir bitten das Verwaltungsgericht, darauf zu dringen, daß die Widersprüche, die aus einer Dokumentation von Udo Sommer ersichtlich sind, geklärt und ein ordentliches Verfahren durchgeführt wird, das Schaden von der Gemeinschaft Stadtgesellschaft abwendet.

Nach meinen vielfältigen Erfahrungen läßt sich eine solche Platzwand auch unabhängig von dem, was dahinter geplant wird, rücksichtsvoll und ohne unzumutbare Mehrkosten erhalten. Dazu sollen überprüfbare Varianten vorgestellt werden. Jeder vernünftige Bauingenieur ist dazu in der Lage.

Im übrigen ist der Stadt ein Betrag in Aussicht gestellt worden, der genügen müsste, um eventuelle Mehrkosten aufzufangen (die nachgewiesen und nicht allein behauptet werden müssen).

 

Prof. Dr. Roland Günter