Sechs Vorschläge für ein weltoffenes Oberhausen

von BOB

von Prof. Dr. habil Roland Günter

Die folgenden Vorschläge sind ein Ausschnitt aus vielen Ideen, an denen Architekturprofessor und BOB-Mitglied Roland Günter arbeitet. Am Donnerstag 12. Mai 2016, stellte sie Günter dem Oberbürgermeister Daniel Schranz im Rathaus vor.

1. Leben wie in Barcelona: Mehr Sitzbänke für eine Gesellschaft im Wandel.
Fast alle Menschen in Oberhausen haben es im Kreuz. Auch mich bewegt das Problem unmittelbar, aus eigener und familiärer Betroffenheit. Wer nicht weit laufen kann, geht ungern oder gar nicht vor die Tür. Das ist ein Verlust an Öffentlichkeit, den sich eine Stadtgesellschaft nicht leisten darf.
Dabei gibt es einfache Lösungen: Sitzbänke. Es müsste sie überall geben, alle 200 Meter. Wie in Barcelona.

2. Amsterdam hat den grünen Daumen: Nachahmer gesucht!
Vor vielen Jahren hat Oberhausen mit der Idee einer Parkstadt begonnen. Jetzt gilt es, diese auch konsequent weiterzuführen.
Dazu brauchen wir etwa ein Baum-Programm, das auch Obstbäume beinhaltet.
Grün ist überall schön, es schmückt Ecken und Nischen. Und oft kann man es selbst pflanzen.  In Amsterdam spricht man von „kleinen Zurückeroberungen“ der Straße. Inmitten einer vitalen Großstadt werden grüne Nischen kreiert und verteidigt. Es holt Lebensqualität ins eigene Viertel. Auch in Oberhausen wäre das Amsterdamer Vorbild ein Gewinn.
In Mülheim gibt es die Oase Unperfekt – eine ehemalige Brache direkt an der A40, die mit Hilfe von Bürgern urbar gemacht wurde. Solche Gärten für Stadtmenschen und auch Zuwanderer soll es auch in unserer Stadt geben.

3. Wer hat's erfunden? Die Schweizer halten ihre Errungenschaften fest.
Oberhausen ist besser als sein Ruf. Doch das Bewusstsein für den Wert unserer Stadt kommt nicht von ungefähr oder gar von selbst. Den Wert eines Gebäudes, einer Straße muss man erklären, hervorheben. Wofür steht der Stil eines Hauses, einer ganzen Straße, eines Viertels? Was hat sich dort historisch entwickelt, wer hat hier gewohnt, und warum?
Identität ist wichtig für Stadt und Bewohner. Sie beginnt vor der Haustür. Wir müssen versuchen, in der Straße und dann im Viertel Identität wachsen zu lassen. Dazu kann man Namen nutzen oder Namen erfinden. Arbeit an Identität  ist eine vielfältige Zukunftsaufgabe, bislang weitgehend ignoriert.
Was Gelungen ist, muss daher festgehalten werden indem man es kartiert, und öffentlich sichtbar macht. Zum Beispiel mit erläuternden Tafeln am oder vor dem Haus, an Straßenschildern oder in Stadtkalendern – wie es etwa Alfred Lindemann in Sterkrade sie gemacht hat. Auch Eisenheim ist Vorbild, denn es ist der wohl besterklärte Wohnbereich der Welt. Wer hat's begriffen? Mehr als 20.000 Touristen im Jahr, die unsere Siedlung besuchen.


In der Schweiz gibt es etliche solcher Projekte der Kartierung, Man hat sogar sogenannte Schutzzonen eingeführt, die eine besondere Aufmerksamkeit beim Planen und im Umgang erfordern.
In Oberhausen kann dafür der Denkmalschutz Sorge tragen. Bislang aber funktioniert dies miserabel, deshalb müssen wir ihn erweitern. Der Umgang mit der Stadt könnte ein ständiges Lernen sein – im Sinne allgemeiner Bildung. Dies ist auch eine Aufgabe der Volkshochschule, des Stadtplanungsamtes, der Denkmalpflege und der Architekten-Verbände. Nicht zuletzt können Literaten die Stadt-Viertel und Bewohner beschreiben.  Wir haben viel Wissen in der Stadt – und nutzen es bislang wenig.

4. Wir brauchen eine Kultur der Öffentlichkeit!
Wir müssen an der Wertschätzung des Öffentlichen arbeiten. Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft. Das Forum, wo sich Unterschiedliches produktiv treffen und wechselseitig  fördern kann, ist der öffentliche Raum. Er ist nicht einfach da (wie viele Menschen meinen), sondern wurde erarbeitet von Generationen, er kann verfallen oder aber wachsen. Wir müssen also etwas dafür tun.
Allerdings: Stadtbewusstsein ist nicht Stadtmarketing, ist nicht Werbung, sondern ein wichtiges Feld der Bildung. Wir müssen dazu von Zeit zu Zeit öffentliche Diskussionen haben. Mit Lesungen zum Thema. Eine Aufgabe der Volkshochschule.

5. Stadtintelligenz einbeziehen, Mitsprache gestalten!
Politik und Ämter führen meist ein selbstgenügsames Leben. Sie verwenden viel Energie darauf, sich abzugrenzen, das heißt, was immer als (vermeintlich) aufgabenfremd auf sie zukommt, von sich fern zu halten.
Andersherum: Die formalisierten Wege der Verwaltung kosten den Bürger Zeit, Kreativität und Aufwand. Sie stellen Barrieren dar, die unsere Stadt daran hindert, ihre vorhandene Intelligenz zu nutzen.
Es gibt in dieser Stadt viele intelligente Leute. Wahrscheinlich haben sie meist erfahren, dass Politik und Verwaltungen sie als lästig, als Störer ansehen. Eine positive Stadtkultur bezieht intelligente Leute  in der einen oder anderen Weise respektvoll ein. Schafft Möglichkeiten, sie einbeziehen.
Mitsprache zu gestalten, ist nicht schwer: Bürger kann man informell(!) einladen, ohne ein  Rechtssystem daraus zu machen. IBA-Intendant Karl Ganser hat es vorgeführt – man kann es lernen.
Eine solche Stadtkultur der Mitsprache wäre neu für Oberhausen.

6. Ankommen in der Neuzeit: Verkehr umdenken, Lebensqualität schaffen!
In Oberhausen herrscht bislang das Verkehrsdenken der 1960er Jahre. Anachronistisch. Nichts wurde dazu gelernt. Das Auto darf nicht länger seine absolutistische Herrschaft über die Stadt behalten. Es gibt eine andere Priorität: fundamental menschlich – orientiert am Stichwort Lebensqualitäten.
Unsere Verkehrsmittel brauchen neue Prioritäten: Radfahren muss gleichberechtigt zum Auto gefördert werden, aber bitte nicht mit motorisierter Mentalität des Verhaltens, denn es geht um mehr als um Benzin-Ersparnis. Ebenso gilt dies für den öffentlichen Verkehr. Und schließlich benötigen PKW und LKW vernünftige planerische Dispositionen.
Ein nicht zu unterschätzender Faktor in einer menschenorientierten Planung von Verkehrsströmen sind Sackgassen: Sie kosten nichts bis auf ein Schild und Pfähle. Doch schon diese kleine Maßnahme verhindert vermeintliche „Schleichwege“ und konzentriert Lärm und Umweltbelastung auf die dafür vorgesehenen Hauptstraßen.
Für 90% der Stadtbewohner ist das ein Gewinn: Nebenstraßen werden nicht nur für Kinder sondern für alle Bürger nutzbar – die Lebensqualität steigt.

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